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Projekt „ScanPyramids“ von 2015 – 2018

 

Im Oktober 2015 wurde an einer Pressekonferenz im Hotel Mena House in Giza – unter dem Motto „2016 – Das Jahr der Pyramiden!“ – das Projekt „ScanPyramids“ vorgestellt. Unter der Leitung der Authority of Egyptian Ministry of Antiquities und unter der Koordination der Faculty of Engineering Cairo University und des HIP Heritage Innovation Preservation arbeiten Partner und Forscher aus Japan, Kanada, Frankreich und Ägypten zusammen, um verschiedene Pyramiden und Grabanlagen mit neuesten Technologien zu scannen. Darunter sind einige bekannte Partner, die bereits auf dem Giza-Plateau geforscht haben, wie die Universitäten von Waseda und Nagoya aus Japan, die Universität von Laval aus Kanada, sowie die Universität Aix Marseille und das Unternehmen Dassault Systèmes aus Frankreich. Daneben kleinere Partner für Fachbereiche. 

Es ist das grösste an mehreren Orten durchgeführte Forschungsprojekt in Ägypten. Eigentlich war seine Laufzeit auf das Jahr 2016 angelegt, dann wurde auf 2017 erweitert und dann nochmals auf den Sommer 2018 verlängert. Doch die Gründe und Verläufe sind meist unklar und es gab mehrere Meinungsverschiedenheiten und ungeprüfte Veröffentlichungen, auf die wir bei den möglichen Entdeckungen noch zurückkommen. Dazu kam, dass 2017 auch Dr. Zahi Hawass wieder aktiv wurde und in Interviews sagte, er habe nun die Leitung des Scan-Projekts übernommen, was von HIP offiziell dementiert wurde. Er ist seither in einem ägyptischen Komitee, welches die Resultate von „ScanPyramids“ prüft. Als erstes wischte Hawass gleich alle Ergebnisse der ersten zwei Jahre vom Tisch. Diese seien falsch, wie er in einem Interview bei „Ahram Online“ sagte, was die Forscher der verschiedenen Teams sehr verärgerte. Hawass glaube auch nicht an diese Scan-Techniken, es könne aber auch sein, dass er falsch liege. Erst wenn man auf den Scans wenigstens eine der 3 bisher bekannten Kammern der grossen Pyramide erkennen könne, werde man die Bewilligung zur Weiterführung geben.

Die Resultate sind für den betriebenen Aufwand und die Laufzeit von mehr als zwei Jahren wirklich ungenau, wie wir gleich sehen. Dies obwohl drei der modernsten Scan-Methoden zum Einsatz kommen und einzelne Systeme zwischendurch noch ersetzt oder modifiziert wurden: 

• „Muons Detection Ground Penetration“: Myonen sind Elementarteilchen, die den Elektronen ähnlich sind und Materie durchdringen. Sie entstehen, wenn kosmische Strahlen auf die Atmosphäre treffen und erreichen dann mindestens einmal pro cm2 und Minute die Erdoberfläche. Für die Scans wurden reflektierende Platten gesetzt und die Myonen mit Detektoren gemessen, um so Hohlräume zu erkennen.

Anmerkung: 1968 hatte Dr. Alvarez bei der mittleren Pyramide bereits Myonen-Detektoren eingesetzt, doch er erhielt jeden Tag andere Resultate (siehe Seite 190). 

• „Infrared Thermography“: Infrarotkameras filmen die thermografischen Veränderungen. Für die Scans wurde die grosse Pyramide respektive ihre Aussenseiten zu verschiedenen Tageszeiten gemessen und gefilmt, um durch thermische Unterschiede Hohlräume zu erkennen.

• „Photogrammetry and Laser“: Spezielle Kameras vermessen vom Boden und von Flugdrohnen aus das ganze Plateau, um ein auf 5 cm genaues 3D-Modell zu erstellen. 

Anmerkung: 

Die „3D-Technologie für virtuelle Welten“ wird von La Fondation Dassault Systèmes umgesetzt, die sich die Transformation der Zukunft von Bildung und Forschung zum Ziel gesetzt hat. Auch die berühmte Harvard-Universität ist daran beteiligt. So sollen die Besucher des GEM die Pyramiden ab 2020 virtuell begehen können, was gemäss Insidern die Schliessung des Plateaus für Besucher ermöglichen werde. Schauen wir uns nun die bisher 4 möglichen „Entdeckungen“ an. 

 

2015 – Mögliche Hohlräume in der Grabanlage von Tutanchamun

Der britische Ägyptologe Nicholas Reeves veröffentlichte bereits im August 2015 die Theorie von 2 weiteren Kammern in der Tutanchamun-Grabanlage im Tal der Könige in Luxor. Die Grundlage dafür sind Linienstrukturen in zwei Wänden, in denen er vermauerte Durchgänge sieht, da die Steinblöcke nicht versetzt verbaut sind.

Als die Auswertung der Radaraufnahmen des Japaners Hirokatsu Watanabe die Möglichkeit dieser 2 Räume bestätigte, sprach der damalige Antikenminister Al-Damati von einer „Entdeckung des Jahrhunderts“.

Es folgten weitere Radarmessungen, diesmal durch zwei Ingenieure von „National Geographic“, Eric Berkenpas und Alan Turchik, die mit unterschiedlichen Frequenzen 40 Scans gemacht haben. Verschiedene Spezialisten werteten die Scans aus und kamen alle zum gleichen Schluss, es seien dort keine Kammern vorhanden. Sie widersprachen so den bisherigen Messungen, die jedoch nie publiziert wurden. 

Der Geophysiker Dean Goodman sagte im „National Geographic“: „Wenn wir einen Hohlraum hätten, müsste es eine starke Reflexion geben. Diese gibt es aber schlicht und einfach nicht.“

Im Jahr 2016 folgten gleich die ersten Arbeiten von „ScanPyramids“ in dieser Grabanlage. Dann wurden an einer Pressekonferenz vom ägyptischen Antikenministerium die Ergebnisse der Bodenradar-Scans vorgestellt, mit dem Resultat, dass sich hinter den Wänden nun doch 2 Hohlräume befinden könnten. Die Qualität der neuesten Ground-Penetrating-Radar-Scans (GPR) sei gut, doch müssten weitere Scans, Untersuchungen und Auswertungen vorgenommen werden, um zu klaren Schlussfolgerungen zu gelangen. Und es wurde die Abklärung für eine „Erkundung der beiden verborgenen Kammern mittels einer Minimalbohrung“ angekündigt. 

Bis zu dem Abschluss dieses Buches im April 2018 ist nichts passiert und gemäss Insidern soll die Bohr-Bewilligung nicht erteilt worden sein. Doch diese Geschichte ist bestimmt noch nicht abgeschlossen. 

Anmerkung:

Reeves vermutet hinter der Nordwand die Gruft und den Sarkophag Nofretetes, der Stiefmutter von Tutanchamun und gemäss Reeves Theorie seine Vorgängerin als Pharaonin. Deshalb wurde er von vielen Ägyptologen heftig kritisiert. Auch von Al-Damati, der dort den Sarkophag von Kija vermutet, einer Nebenfrau von Pharao Echnaton, dem Mann von Nofretete, der „Grossen Königlichen Gemahlin“. Auch weil Tutanchamun bei der Verlegung des Regierungssitzes vom mittelägyptischen Amarna vermutlich Kija mitgenommen habe, nicht seine Stiefmutter Nofretete. Als er unerwartet starb, sei das für Kija angelegte Grab „die ideale Wahl“ gewesen.

Meiner Meinung nach trifft Reeves These nicht zu, da die Pharaoninnen im Tal der Königinnen begraben wurden. Wieso sollte dies gerade bei der grossen Nofretete anders gewesen sein, und sie ist zudem nachweisbar vor Tutanchamun gestorben.

 

2016 – Möglicher Gang in Pyramide Snofru

Im Herbst 2016 haben japanische und ägyptische Wissenschaftler in Kairo die ersten Ergebnisse der Myonen-Scans in der Knickpyramide von Dahschur präsentiert. 

Sie hatten dafür 40 Tage lang 40 Platten in der unteren Kammer platziert, und so konnten mehr als 10 Millionen Myonen-Spuren rekonstruiert werden. Das Ergebnis sei gemäss der Pressemitteilung des “ScanPyramids”-Projekts spektakulär, denn zum ersten Mal sei die innere Struktur einer Pyramide mit Hilfe von Myonen sichtbar gemacht worden.

Tatsächlich bilden die Scans auch die obere Kammer ab, die rund 18 m über der unteren Kammer liegt und diese aus der Vogelperspektive überschneidet.

Das ist ein wichtiger Test für Giza und die Voraussetzung für das Prüfungskomitee. 

Anhand der bisherigen Auswertungen und Simulationen gehen die japanischen Forscher  davon aus, dass es im Innern der Pyramide von Snofru keine weiteren Hohlräume und Kammern gibt. Es wurde nur eine mögliche schmale Anomalie erkannt, die eher ein Gang im mittleren Bereich wäre, doch nicht relevant sei. 

Die Abbildungen aus den Myonen-Scans sind einfach noch nicht aussagekräftig, denn es sind nicht mal die bekannten Gänge erkennbar und selbst die grossen Kammern nur ungenau als Flecken. 

Die Boden-Scans machten dies dafür wieder etwas wett mit ihren neuen und perfekten Darstellungen in 3D. 

 

2016 – Mögliche 2 Höhlräume im Mantel der grossen Pyramide  

Ende 2016 erklärte Hani Helal als Projektkoordinator vom HIP gegenüber „Ahram Online“, dass die Teams der thermischen Infrarot-Scans 2 Anomalien auf den Aussenseiten nachgewiesen haben. Beide zeigten Temperaturdifferenzen von bis zu 6 °C, die nicht mit den Unterschieden der Kalksteinblöcke erklärt werden könnten, sondern auf  Hohlräume hinweisen, die Hitze oder Kälte absorbieren.

• Die erste Anomalie befindet sich in der Nordseite beim oberen Teil des ursprünglichen Eingangsbereiches, welche 2017 auch noch durch die Myomen-Scans bestätigt wurde.

• Die zweite Anomalie liege auf der Ostseite im Bodenbereich. Einige Fachleute sagten, hinter den beiden – auf den Scans weitgehend in Rot erscheinenden – Steinblöcken beginne ein Gang in das Innere. Andere meinten, es sei nur ein Zwischenraum, der möglicherweise beim Raubbau der Verkleidungssteine entstanden sei. Danach wurde entschieden, eine stationäre Kamera zu installieren, die diesen Bereich ein Jahr lang messen solle. Vorgeschlagene Prüfungen durch Bohrungen oder gar Entfernung einzelner Blöcke wurden abgelehnt. 

 

2017 – Mögliche 3 Hohlräume in Innern der grossen Pyramide  

Auch das Team der Myonen-Scans hat 3 mögliche Hohlräume innerhalb der grossen Pyramide gefunden. Sie hatten dafür an drei verschiedenen Stellen Detektorplatten platziert: am Boden der „Königin“-Kammer, am Boden der Galerie und vor dem Eingang. Alle drei Messungen haben die verborgenen Hohlräume aufgezeichnet, nachdem sie über Wochen die einfallenden Myonen gemessen haben.

• Die erste Anomalie beim Eingangsbereich auf der Nordseite haben wir bei den Thermo-Scans bereits erwähnt. Die Myonen-Forscher vermuten, dass es sich bei diesem Hohlraum um einen weiteren Gang handelt. Falls er sich gerade hinziehen würde, läge er auf der Höhe und Linie mit dem Gang, der zur „Königin“-Kammer führt.

• Die zweite Anomalie befindet sich in 105 m Höhe an der Nordostecke. Sie liegt rund 6 m hinter der Aussenseite und zeigte fast genau denselben Myonen-Überschuss wie die anderen beiden Hohlräume. 

 

• Die dritte Anomalie sorgte für weltweite Aufregung, denn es sei ein 30 m langer Hohlraum über der Galerie, die selbst fast 47 m lang und 8,5 m hoch ist. Die sogenannte „Big void“ befinde sich in einer Höhe von 50 bis 70 m und habe keinen Zugang. Vielleicht handle es sich auch um mehrere nebeneinander liegende Räume. Die genaue Form und Richtung des Hohlraums sei gemäss den japanischen Teilchenphysikern noch unbekannt, doch seine Existenz zu 99,999 Prozent sicher. Und dass sie neben den neuen Hohlräumen auf ihren Scans auch die „Königs“-Kammer und die Galerie sehen konnten, macht die Forscher noch zuversichtlicher. 

Diese letzte Entdeckung wurde von Kunihiro Morishima der Universität Nagoya und Mehdi Tayoubi vom HIP Institute im Fachmagazin „Nature” veröffentlicht (DOI: 10.1038/nature24647). Doch nach der wohl etwas voreiligen Veröffentlichung, ohne Rücksprache mit und Erlaubnis der Leitung von „ScanPyramids“, gab es umgehend Widerrufe und eine Kontroverse zwischen den beteiligten Partnern.

Tayoubi sagte in Paris an einer von „Nature“ organisierten Telefonkonferenz, alle Messungen hätten die Existenz der „Big void“ bestätigt und danach habe man sich für eine Publikation entschieden. 

Sogar der Generalsekretär des SCA Ministeriums für Altertümer, Mostafa Waziri, rügte die Forscherteams für ihre voreiligen Schlüsse aus den Scan-Bildern und dafür, das Wissenschaftskomitee vorher nicht konsultiert zu haben. 

Verschiedene Ägyptologen zweifeln an den Ergebnissen der Scan-Aufzeichnungen und sagen, dass auch ein Wechsel der Herkunft der Kalksteinblöcke aus verschiedenen Steinbrüchen die Ursache für die Veränderungen im Myonenfluss sein könne. Diese Vermutung wurde jedoch von den Autoren des „Nature“-Artikels zurückgewiesen.

Dr. Zahi Hawass verwies im Interview mit dem Magazin „Live Science“ darauf, dass die Messungsunterschiede auf kleine Lücken zwischen den Steinblöcken deuten könnten, da der Kern der Pyramide aus verschieden grossen Steinen bestehe. Und gegenüber der Nachrichtenagentur „AFP“ sagte er, es sei bekannt, dass die Pyramide voller Hohlräume sei. Doch dies bedeute nicht, dass es eine neue Entdeckung sei. 

Miroslav Barta von der Karls-Universität in Prag – mit Zahi Hawass Mitglied des wissenschaftlichen Komitees für „ScanPyramids“ – sagte im Interview mit dem Magazin „SPIEGEL“, er habe gemischte Gefühle zu den vorgelegten Ergebnissen. Das Projekt arbeite mit Hightech, sei wichtig, habe gute Daten produziert und sei eine Bereicherung. Auch an den Scan-Resultaten an der Nordseite der Pyramide zweifle er nicht und er sagte sogar, die beteiligten Forscher seien zurückhaltend in ihren Interpretationen. Aber an eine grosse Kammer glaube er noch nicht und nannte es ein „strukturelles Element“. Die Baumeister ägyptischer Pyramiden hätten damals praktisch gedacht und um die Last der zahllosen Steine besser zu verteilen, sei es nicht unüblich gewesen, Hohlräume im Baukörper mit Sand und Schotter zu füllen.

Diese These eines „Entlastungs-Raumes“ teilt auch Mark Lehner.

Dann erschienen im Web verschiedene Berichte mit dem Vergleich zu den 5 übereinanderliegenden „Entlastungs“-Kammern über der „Königs“-Kammer. Deren oberste zwei liegen fast auf gleicher Höhe und am nächsten zum möglichen Hohlraum. Leider wurde nie erwähnt, dass inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass sie diese statisch entlastende Wirkung gar nicht haben (siehe Seite 48). 

Dieser Interpretation der Entlastung widerspricht auch Hany Helal der Universität Kairo und Projektkoordinator von HIP. Aus ihrer Sicht sei es zu früh, um zu sagen, was der Zweck dieses Hohlraums sein könnte. Er sei sicher nicht zufällig an dieser Stelle der Pyramide platziert, doch zu gross für einen „Entlastungs-Raum“. 

Im Gegensatz zu Waziri, Hawass, Barta und Lehner hat sich Khaled Al-Anany als derzeitiger Antikenminister positiv zu diesen Entdeckungen geäussert, wie der „Egypt Independent” berichtete. An der SAEMT (International Conference on the Science of Ancient Egyptian Materials and Technologies) dankte er den Teams von „ScanPyramids“ unter Mehdi Tayoubi (HIP Institute) und Kunihiro Morishima (Nagoya University). Al-Anany sprach von einer „Offenbarung“, die das Interesse der Welt wieder auf Ägypten lenken werde. Was in der grossen Pyramide entdeckt wurde, sei neu und grösser als alle bekannten Hohlräume und werde weiterhin wissenschaftlich untersucht und erforscht.  

Ob es sich wirklich um bisher unbekannte Räume oder nur um natürliche Spalten und Hohlräume handelt, sollen weitere Messungen und Untersuche im laufenden Jahr 2018 zeigen. Das grösste Problem ist, dass die mutmasslichen Hohlräume offensichtlich nicht mit anderen Gängen oder Räumen verbunden sind. Um sie zu finden, müsste man in der grossen Pyramide bohren und graben, was bisher offiziell nie bewilligt wurde. Wir werden sehen, was „ScanPyramids“ und das Führungsgremium abschliessend vorlegen wird.

 

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch GIZA VERMÄCHTNIS.